Der Plan sah heute Früh vor, zu einem Treffen des Eltern-Kind-Zentrums zu gehen. Engagierte Frauen aus Landeck hatten ein Frühstück organisiert. Der Plan sah vor, danach loszulaufen. Wie ich gestern bereits schrieb, folgen meine Tage einem eingeübten Plan. Es beruhigt mich, wenn es so bleibt. Jede Abweichung, beispielsweise eine Umleitung gestern, wirft mich aus der Bahn, gefährdet meinen Plan.
Und abseits dieses „erdigen“ Plans geht mir seit zwei Tagen ein ganz anderer „Plan“ nicht aus dem Kopf: eine Begegnung gestern Früh. Denn – so scheint mir – über all unseren Alltagsplänen gibt es einen nicht erklärbaren Plan. Wer mich kennt, weiß, dass ich nun nicht über Gott zu schreiben beginne. Wer mich nicht kennt, dem sei versichert: Ich werde nun nicht über Gott schreiben. Denn all das uns Eingetrichterte ist mir dabei zu simpel. Nein, ich meine vielmehr ein ominöses Konstrukt, das unseren Leben unterlegt wurde, ein unbeeinflußbares Konstrukt, das sich bestenfalls Schöpfungsplan nennen könnte. So etwas wie ein universeller Plan, der uns immer wieder mitteilt, worauf es ankommt.
Um es auf den Punkt zu bringen: Gestern, nachdem ich Pettneu verlassen hatte, führte mich die Landstraße an eine Kreuzung, bei der eine Frau aus ihrem Auto „Hallo Rainer!“ herausrief. Ich fragte, ob wir uns kennen. – Und ob wir uns kannten! Bei mir offenkundig im Strom der Schmerzvernarbungen unserer Sternenkinder verschüttet, erinnerte mich die ehemals eng verbundene Freundin Ulrike daran, wie wir uns trafen, was uns einst verbunden hatte und auch, wie sehr sie unsere Gespräche stets geschätzt hatte. Als ich weiterlief, dachte ich lange darüber nach: Warum kann man eine so intensive Begegnung verschütten? Ihr Bruder, sie und ich waren uns begegnet und gingen eine kleine Teilstrecke unserer Leben gemeinsam. Während des Tages kamen immer mehr Bilder zurück und jedes war traurig und schön zugleich.
Es war tatsächlich eine enge Verbundenheit gewesen, die wir damals durchlebten. Wir waren verbunden gewesen in einer Aufgabe, die wir teilten, verbunden in der Zerbrechlichkeit dieser Aufgabe, verbunden in einer hohen Sensibilität, die diese Zeit erforderte. Und schließlich sahen wir uns auch verbunden in der Erfolglosigkeit all unserer Anstrengungen. Nun, exakt auf meinem Weg, der mich zu vielen Menschen und nicht zuletzt auch zu mir und meinen Gedanken über unser Sternenkind-Dasein führt, begegnet mir Ulrike, die ich in jener Zeit, als wir Jahr um Jahr ein Kind zu betrauern hatten, kennenlernen durfte. Durch all die Schmerzen dieser Zeit habe ich unseren kurzen gemeinsamen Weg mitverschüttet. Gestern durfte Ulrike und mit ihr diese wertvolle Zeit zurück ans Licht. Ich bin sehr froh darüber. Denn während wir unseren Alltagsplänen folgen, stößt uns eine „universelle Orchestrierung“, wie Ulrike es ausdrückt, immer wieder wohltuend an und zeigt uns, worauf es am Ende ankommt. Und das hat meistens mit der Liebe zu einem anderen Menschen zu tun. Wie mir Ulrike erzählte, ist ihr Bruder inzwischen leider durch einen Unfall verstorben.