Wenn Sternenkindbetroffene hören, was sie nicht hören wollen.

Mein Sternenkind
in Trostsatzkategorien

18. Mai 2025 / rj

Sie sind zeitlos. Sie halten sich sagenhaft hartnäckig. Sie sind historisch und zeitgeistig zugleich. Sie bezeugen das „Wesen der Unbeholfenheit“: die gutgemeint bösen Sätze, die bei Bedarf als Trostfloskeln herhalten müssen. Und damit sind sie nichts Geringeres, als Platzhalter der Sprachlosigkeit.

„Bei einem Workshop vor einigen Tagen“, erzählt Vera Juriatti, „hatten wir es wieder dabei: Unser Bullshit-Memory. Wir legen 49 kleine Karten auf und jeder darf eine ziehen. Darauf sind Sätze, die Sternenkindeltern uns erzählt haben, zu lesen“. Da findet sich Beschwichtigendes genauso wie vermeintlich Tröstendes: „Es wird für etwas gut gewesen sein“, ist dabei der meistgehörte. Aber auch: „Jetzt leidet dein Kind wenigstens nicht mehr.“ „Wirst sehen, alles wird gut.“ Mit fortdauerndem, zeitlichem Abstand zum Sterbetag können die Sätze angriffiger werden: „Wie, du trauerst immer noch?“ „Du solltest dich jetzt ablenken.“ „Du musst nach vorne schauen.“ Und am Ende wird es böse: „Irgendwann ist es aber gut mit dem Trauern.“ Für Männer heißt es oft: „Du musst jetzt stark sein für deine Frau“, während Frauen das Versprechen hören: „Du kannst mich jederzeit anrufen.“

Manchmal hilft es, jene Trostsätze, die besonders schmerzen, in einer „innere Ablage“ zu archivieren. Das kann sogar Spaß machen, denn es gibt im Grunde nur drei: Die erste Kategorie, das sind Sätze, die wohlmeinend unbeholfen daherkommen. Hier ist die Toleranz betroffener Sternenkindeltern angesprochen. Die zweite Kategorie, das sind Weisheiten, die gut gemeint, aber lächerlich wirken. Angehörige und Freunde sind gut beraten, niemals, in keinem Fall, zu keiner Zeit, irgendeine Weisheit auszusprechen. Für Sternenkindbetroffene bedeuten Weisheiten, die Ohren einfach auf Durchzug zu stellen. Die dritte Kategorie, das ist die am schwersten zu verdauende: Mit dem Anwachsen der zeitlichen Distanz zur stillen Geburt nämlich wird das Umfeld ungeduldiger. Sternenkindbetroffene beginnen „zu nerven“ und hören dann oft Unsägliches wie: „Du bist nicht der einzige Mensch, der Probleme hat.“ Wer solche Freunde hat – heißt es – braucht keine Feinde mehr. Hier sind Sternenkindeltern gut beraten, sich zu verabschieden.

„Sprechen wir nicht über unsere Sternenkinder“, meint Vera Juriatti, „dann begeben wir uns in eine ungesunde Isolation, sprechen wir zu oft über sie, dann isolieren uns die anderen, indem sie den Kontakt zu uns reduzieren oder sogar gänzlich abbrechen“. 

 

Mehr zu den bösen Sätzen finden Sie unter Zwei Minuten nur von Vera Juriatti.

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